Eighty Mile Beach

von Konrad Bucheli
Tags:

Dienstag 9. August 2016

In der Nacht fängt mein Bauch auch an zu rumoren. Ich geselle mich daher zum Klub der Morgenessenverweigerer und Schlürfer von brauner, zuckriger und entbrauster Brause. Nur da gibt es eine leichtgewichtige Ausnahme. Kiara steht vor mir: "Mmhmmh" und hält mir ihren Latz entgegen. Nach anregenden Tätigkeiten wie das Zelt zusammenzupacken und ein paar Besuchen im "amenities block" geht es meinem Bauch wieder besser und wir sind schon früh startklar.

Petras nächstes Ziel ist der Rohstoffhafen Port Hedland, etwas mehr als 600 km in südwestlicher Richtung. Wir schauen, wie weit wir heute kommen. Die Kinder schlafen schnell ein und die ersten zwei Stunden können wir einfach fahren. Ganz am Anfang kommt eine riesige Weide, die bis an den Horizont reicht. Da werden gerade die Rinder zusammengetrieben. Die Cowboys zu Pferde formen einen weiten Bogen und zuhinterst fährt ein Lastwagen. Langsam ziehen sie und die Rinder zum Sammelplatz, wo schon ein paar Tausend warten. Ansonsten gibt es überhaupt keine landschaftlichen Anhaltspunkte, alles ist flach. Dafür können wir sehen, wie sich die Vegetation ändert. Der Busch wird tiefer. Zuerst passieren wir, ich nenne es mal so, den traurigen Busch. Hier stehen vor allem lange, schmale, dürre und oben geneigte Büsche, die irgendwie eine Tristesse vermitteln. Zwischendurch gibt es etwas Abwechslung mit etwas mehr Grün oder gar einer Serie von gelb blühenden Büschen. Boabbäume hat es keine mehr, dafür eine andere Sonderbarkeit. Manchmal befällt eine wuchernde Kletterpflanze ganze Baumkronen. Diese Pflanze wächst so dicht, dass es auf den ersten Blick wie ein fester Körper aussieht. So erwarten uns gebeugte Riesen, lauernde Ungeheuer, schwebende Gespenster und aus der Erde greifende Hände. Später wird der Busch noch tiefer, manchmal nicht mal mannshoch. Und er wird fröhlich: das Gras ist nicht nur braun, sondern es hat Flecken mit verschiedenen Grüntönen und auch die Büsche sind nun mehrheitlich grün. Am Schluss kommen noch Flecken mit weissen, gelben oder violetten Blumen hinzu. Nun sind wir glaube ich wirklich in der Wild Flower Season angekommen, welche Petra ja an der Westküste mal erleben wollte.

Als die Kinder erwachen machen wir Pause. Eine Stunde später erreichen wir das Road House von Sandfire. Wir fahren ja quasi am Meer entlang, nur sehen wir es nie. In der Nähe ist die Eighty Mile Beach. Im Road House frage ich nach, ob es einen öffentlichen Zugang zum Strand gibt. Ja, in 45 km müssen wir abbiegen und noch 10 km weit fahren, da gibt es einen Camping Platz, man kann aber auch so an den Strand. Ich denke, da könnten wir eigentlich sogar übernachten, so schön am Ende der Welt. Petra ist noch nicht so ganz überzeugt, aber zum Mittagessen (wenigsten für jene, die etwas essen wollen) fahren wir an den Strand.

Als die kitschig türkise Unendlichkeit auftaucht, will Petra unbedingt hier bleiben. Wir stellen unser Dachzelt in diesem recht grossen und gut gefüllten Camping auf und versuchen einen Mittagsschlaf zu machen, denn die Sonne brennt sehr stark. Aber unsere Kinderlein haben ja schon geschlafen... Um drei geht es dann an den Strand. Der ist eine Autobahn. Nichts vom Ende der Welt. Die australischen Hobbyfischer fahren da mit dem Geländewagen, am besten noch mit vier Ruten vorne am Kuhfänger montiert und schräg über die Windschutzscheibe nach hinten schauend, von und zu ihren Fangplätzen. Die Kinder stört das nicht weiter, die sind mit dem Sand vollauf beschäftigt. Wir wollen dann wieder unsere Füsse kurz ins Wasser halten, treten dann aber den Rückzug an nachdem uns eine Frau abgefangen hat und einem Hai in knietiefem Wasser gesehen haben will.

Zurück beim Auto haben wir Post bekommen. Heute ist Volkszähltag und auf der Leiter liegt nun der Fragebogen. Ich will das zuerst ignorieren, aber unsere Nachbarn sagen, das müssen alle dort ausfüllen, wo sie gerade sind. Ich schaue es etwas genauer an, und tatsächlich, die interessieren sich auch für Touristen. Fast bei jedem andern Camper sind sie auch am Ausfüllen dieses Formulars. Nach dem Abendessen fülle ich aus: Adresse: Platz 150, WA (Western Australia), Gebäude/Anlage Eighty Mile Beach Caravan (für Park reicht der Platz nicht mehr). So Details wie Ort, Strasse und Postleitzahl weiss ich halt nicht. Wir haben zwei Schlafzimmer (obwohl wir nur eines brauchen) und ein Fahrzeug. Und sonst heisst es immer "other country" oder Switzerland. Und ich weiss nicht, ob sie etwas mit Petras Abschlussniveau "Höhere Fachschule" anfangen können.